Dienstag, 7. September 2010
Erste Eindrücke
Nihao!
Hallo, Du da am PC!

Sogar in Beijing ist heute Dienstag, der 07. September 2010. Seit meiner Ankunft am 28.08. ist einige Zeit vergangen. Da muss doch etwas Erzählenswertes dabei sein ; )
Lass uns gemeinsam einen Blick auf die zurückliegende Woche werfen.

Wohnen wie die Chinesen!

Ich hätte niemals erwartet, schon am Flughafen mit Chinas Eigentümlichkeiten konfrontiert zu werden. In Deutschland hatte ich noch Pullover und Jacke getragen. Hier warf ich nun beides von mir und genoss die sonnigen 35°C.



Den Verkehr zum Treffpunkt mit unserer Vermieterin empfand ich noch nicht als abenteuerlich. Glaub mir aber, dass sich das später ändern sollte.

Etwa eine Stunde später befand ich mich dann am Eingang zu unserer Wohnung. Wir, das sind mein Mitbewohner Anselm (ebenfalls Sinologiestudent, hier rechts) und ich.



Wir teilen uns vier Räume und einen Flur auf 79m². Dir wären wohl auch zuerst die Klimaanlagen, die Wasserspender und das eigentümliche Badezimmer aufgefallen. Die Anlagen sind noch selbsterklärend. Sie sind im Sommer unentbehrlich und fungieren im Winter sogar als Notheizung - denn die Heizsysteme der Stadt werden erst um den 10. Dezember von der Zentralregierung freigegeben.
Die Wasserspender fassen neunzehn Liter. Wir haben drei davon. Und sie werden bis ins Haus geliefert. Auch beim Nachfüllen : ) Nach meinen Beobachtungen auf der Straße käme kein Chinese auf die Idee, wöchentlich Wasserkästen zu schleppen.
Das Bad ist gewöhnungsbedürftig. Direkt neben der Toilette tritt nämlich schon der Duschschlauch aus der Wand, ohne Vorhang, ohne sonstige Abgrenzung. Läuft da nicht alles über? Ja, Du musst schonmal den Wischer und Tücher bereithalten, aber den Großteil erledigt ein Abfluss, der hoffentlich nie verstopft...

Ein Wort noch zu unserer Nachbarschaft:
Unsere Wohnung befindet sich in einer typischen Siedlung. Die Gegend ist ruhig und recht sauber. Direkt gegenüber gibt es einen kleinen Spielplatz für jung und alt. Morgens wird hier bei Musik Taijiquan (Thaichi) geübt, mittags spielen Kinder und abends versammeln sich die Leute nochmals zu Tanz und traditioneller Livemusik bis in die Nacht hinein.
Vielleicht hast Du in der Tagesschau neulich von den Plänen der chinesischen Regierung gehört, immer mehr Orte mit Zäunen, Mauern und Kameras zu "schützen". In Beijing ist das längst der Fall. Wärmebildkameras sind offensichtlich platziert und Rolltore zu den einzelnen Vierteln schließen gegen Mitternacht.
Im Übrigen ist das Gebiet um die Beida multikulturell. Neben Restaurants aus sämtlichen Provinzen Chinas, Bars, Cafés und Lokalen stehen bereits die größten Errungenschaften westlicher Zivilisation: Microsoft, Google, McDo, Burger King, KFC, Starbucks und Pizza Hut... Die beliebteste Studentenkneipe Beijings, das Lush, ist gerade wegen westlicher Angebote und dem einzigen genießbaren Salat der Stadt so erfolgreich.

Essen wie die Chinesen!
Da Dir gerade wohl das Wasser im Mund zusammenläuft, bleiben wir noch bei dem Thema. Denn (nach unserem Verständnis) gute Nahrungsmittel zu finden, ist trickreich. Ja, Du kannst an jedem Straßenimbiss zulangen. Bei jedem fünften Schritt begegnest Du einem davon, abends sogar noch öfter, denn dann kommen die Pendants zur Gulashkanone ans Tageslicht. Süßes, Gebackenes, Gebratenes und Öliges gibt es zuhauf. Die mangelnde Hygiene sorgt jedoch für ein zeitintensives Erlebnis ; )
Schwarz- und Graubrot wirst Du auch in vermeintlich deutschen Bäckereien definitiv, garantiert, 110%ig nicht finden! Aber dafür lässt sich Abhilfe schaffen, wenn Dir ein europäisches Frühstück wichtig ist.

Für Mittag- und Abendessen ist hingegen problemlos gesorgt.



Beides sieht im Idealfall so aus, kostet 140 RMB Yuan (ca. 15 Euro) und macht fünf bis sechs Leute satt. Aber wie ist das mit dem Fleisch? Die Chinesen essen doch Hunde und Katzen? Ja, als Delikatesse gibt es unsere lieben Haustiere, auch das haben wir bereits gesehen. Was davon zu halten ist, ist unter uns Studenten nicht klar entschieden. Ich werde es als Hundebesitzer jedoch meiden. Nur das drittbeste Restaurant zu besuchen, könnte für Dich hier also auch ein Vorteil sein.

Lernen wie die... Chinesen?
Dieser Punkt bedarf einiger Erklärung, finde ich. Dazu machen wir einen Ausflug in die Geschichte dieses Landes.

Bis ins Jahr 1905 bestand in China das sogenannte Beamtenprüfungssystem. Somit hatte es eine 2.000 jährige, durchgängige Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Vermittelt wurden hauptächlich philosophische Kenntnisse und Werte. Der Ursprung liegt bei Konfuzius bzw. der Zhou-Dynastie (770 - 265 v. Chr.), die seine Lehren inspirierte. Ebenfalls Einfluss nahmen Menzius, Sunzi ("The Art of War") und Zhu Yi.
Das vorrangige Ziel des Systems bestand nicht darin, Wissen um Mathematik, Biologie, Geschichte oder Sprachen zu vermitteln. Stattdessen ging es um die Auslegung der konfuzianischen Klassiker, einer Sammlung sakrosankter Schriften. Es war die Aufgabe der Beamten, die Schriften aus dem FF zu beherrschen und für den Kaiser auslegen zu können. So ließ sich immer ein Grund finden, der das Verhalten des Kaisers letztlich rechtfertigte.
Seit dem mittleren 19. Jahrhundert erschütterten mehrere Kriege das Vertrauen in dieses System. Zwei Kriege wurden mit Großbritannien um Opium geführt, weitere mit Japan, Frankreich und sogar in der Bevölkerung. Man dachte jedoch nicht daran, die Tradition umzustoßen. Stattdessen wurden westliche Wissenschaften halbherzig aufgenommen. Die sogenannte "Selbststärkung" endete als Fehlschlag.
Ab 1905 bemühte man sich aktiv um die Aneignung westlichen Wissens. Um 1912 trieb die Regierung der Republik China diesen Wandel voran, indem man sich Deutschland, Frankreich und Amerika zum Vorbild nahm. Langsam kam ein Schulwesen auf, wie wir es kennen.
Das Auftreten der Kommunistischen Partei und die Befreiung Chinas 1949 brachten dann die Vorbildrolle der Sowjetunion und ideologische Werte in den Unterricht ein, etwa Gruppenzusammenhalt, Selbstversorgung und körperliche Arbeit neben dem Studium. Mittlerweile sind diese deutlich hinter wirtschaftlichen Interessen getreten, aber noch präsent.

Im eigentlichen Sinn lernen wir also nicht wie Chinesen. Eher wie Chinesen, die zuerst uns Europäern nachgeeifert sind ; )
Sehr deutlich wird die Globalisierung auch auf dem Campus der Beida. Im Westen verstecken sich noch traditionstreue, tempelartige und bunte Bauten. Mehr und mehr verbeiten sich jedoch Gebäude mit einem eindeutig westlich modernen Anstrich.



Nichtsdestotrotz bleibt die Universität ein Hingucker! Und ohne lange zu suchen findet man sie noch im angrenzenden Park, die alten Schreine, Tempel und Naturpanoramen.



Freunde treffen wie die Chinesen!
Du wirst, wenn Du einmal Bekanntschaften schließt, sehr schnell feststellen, das die Gerüchte vom steinernen Chinesen nicht stimmen. Auf ihre Art sind sie sogar sehr gastfreundlich und um das Recht, Leute zum Essen einzuladen, streitet man sich regelrecht. So ist es also wenig verwunderlich, dass wir schon in unserer ersten Woche die Wangfujing besuchten.



Was das ist? Hessen sind Frankfurts Zeil und Fressgass garantiert ein Begriff. Die Wangfujing bezeichne ich gern als übergroße Hybride. Hier gibt es hauptsächlich Außergewöhnliches. Etwa kleine Läden, die Dinge verkaufen, deren Existenz ich gern vergessen würde. Gleichzeitig auch kulinarisch Kurioses.



Dass der Geschmack von Skorpionen mit Blätterteig vergleichbar ist, möchte ich kurz vor dem Ende dieses Eintrags noch hervorheben.

Unweit von der Wangfujing liegt der Tiananmen, der Platz des Himmlischen Friedens. Leider kamen wir zu spät, um noch einen Blick hinter das Eingangstor oder auf Mao Zedongs Grabstätte zu werfen. Da ich Dir jedoch beides bei Gelegenheit zeigen möchte, schließe ich für heute mit einem Bild dessen, was sicherlich folgt.



Im nächsten Beitrag:
Wie ist das Studium an der Beida?
Was kann man in Beijing sonst noch erleben?
Wohin unternehmen wir Studenten Exkursionen?

Das alles - demnächst : )
Zaijian!

... link (4 Kommentare)   ... comment